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Deshalb sind Adventslieder so traurig

    Oft sind Adventlieder nicht so festlich ausgeschmückt wie die Schaufenster in den Geschäften. Meist sind sie eher düster und traurig. Warum das so ist, darum geht es in unserer Kirchenmusik-Kolumne. Von Timo Benß

    Advent – die Zeit der Besinnlichkeit. Süßer Vanilleduft liegt in der Luft, Kerzenlicht leuchtet auf dem Wohnzimmertisch, während heißer Glühwein von innen wärmt. Viele empfinden den Advent als eine schöne Zeit. Man kommt runter, macht es sich gemütlich, verbringt viel Zeit mit Familie und Freunden – und man freut sich schon auf Weihnachten. Oft ist der Advent aber auch schon so festlich wie Weihnachten. In den Kaufhäusern erklingt „O du fröhliche“ und Weihnachtsbäume sind als Deko in den Schaufenstern schon geschmückt. Viele „Weihnachtsmärkte“ haben an Weihnachten gar nicht mehr auf – sie müssten eigentlich „Adventsmärkte“ heißen.

    Wenn man im Gottesdienst bei den Liedern, die gesungen werden, mal ganz genau aufpasst, wird man aber feststellen, dass so viel Weihnachtsglanz nicht existiert im Advent. Im Gegenteil.

    Da wäre zum Beispiel „O Heiland, reiß die Himmel auf“ (EG 7). Schon die Melodie ist schaurig. Sie ist in Moll geschrieben, was eher traurig klingt. Den Text unterstützt sie damit. Dort heißt es nämlich in der sechsten Strophe: „Hier leiden wir die größte Not / vor Augen steht der ewig Tod. / Ach komm, führ uns mit starker Hand / vom Elend zu dem Vaterland.“ Der Text wurde 1622 publiziert und wird dem Jesuiten Friedrich Spee zugeschrieben. Wahrscheinlich flossen die Erfahrungen aus dem Dreißigjährigen Krieg mit ein.

    Doch „O Heiland, reiß die Himmel auf“ ist keine Ausnahme in der Sammlung der Adventslieder. Der Choral „Mit Ernst, o Menschenkinder“ (EG 10) stellt besonders die Buße in den Vordergrund. „Mit Ernst, o Menschenkinder, das Herz in euch bestellt“, lautet der Anfang des 1642 erschienen Liedes. Das hat auch nicht viel mit dem gemütlichen Bummeln auf dem Weihnachtsmarkt zu tun.

    Drittes Beispiel: „Die Nacht ist vorgedrungen“ (EG 16) von Jochen Klepper. 1938 erschien das Gedicht, das von Johannes Petzold vertont wurde. Die Adventszeit wird als die Nacht besungen, der mit Weihnachten der Tag folgt. Auch hier stellt sich die Frage, wer bei der Adventszeit zwischen all den bunten Lichtern und Märkten heute noch an eine Nacht denkt.

    Advent als Fastenzeit

    Dass die Lieder so schaurig und düster klingen, liegt daran, dass der Advent ursprünglich eine Fastenzeit war. Im frühen Christentum begann sie am 11. November und ging bis zum Tag der Erscheinung des Herrn (Epiphanias), dem 6. Januar. Erst dann wurde Weihnachten gefeiert. Noch heute wird am Martinstag traditionell die Pacht entrichtet, denn mit dem Advent beginnt ein neues Kirchenjahr. Und die Martinsgans ist das letzte fettige Essen vor der Fastenzeit.

    An den Paramenten kann man die Bußzeit heute noch ablesen. Paramente sind die Textilien in der Kirche, die je nach Anlass in verschiedenen Farben ausgewählt werden. Bei uns sind das das Altartuch und der Behang am Pult der Kanzel. In der Adventszeit sind die Paramente violett als Zeichen der Buße. Das sieht man sonst nur in der Passionszeit und am Buß- und Bettag.

    Doch obwohl viele Adventslieder düster sind, sind es längst nicht alle. Es gibt auch noch Lieder wie „Macht hoch die Tür“ (EG1) oder „Tochter Zion, freue dich“ (EG 13). Übrigens: Das Presbyterium hat beschlossen, dass ab Advent in Bockenheim wieder gesungen werden darf. Kommen Sie doch in den Gottesdienst und singen Sie mit. So vielfältig wie der Advent ist sonst keine andere Zeit im Kirchenjahr.

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