Osterlieder gehören zu den festlichsten Gesängen, die das Evangelische Gesangbuch zu bieten hat. Eines davon hat sogar schon Martin Luther besonders gut gefallen. Von Timo Benß
Es ist ein besonderer Moment im Ostergottesdienst. Nach der langen Passionszeit, die im Karfreitag gipfelt, erklingt in der Osternacht dieser alte Gesang: „Christ ist erstanden von der Marter alle.“ Spätestens bei der dritten Strophe, in der das dreifache Halleluja gesungen wird, kommt bei vielen Gottesdienstbesucher:innen ein festliches Ostergefühl auf.
Schon Martin Luther konnte dem Lied viel abverlangen. „Aller Lieder singet man sich mit der zeit müde. Aber das Christus ist erstanden mus man alle jar wider singen“, schrieb der Theologe einst. Mit dem Choral Christ lag in Todesbanden schuf er 1524 auch eine eigene Version des Stückes – mit neuem Text und leicht veränderter Melodie. Luther selbst überschrieb sein Werk übrigens mit dem Titel „Christ ist erstanden gebessert“.
Doch das Christ ist erstanden ist sogar noch älter als Martin Luther. Es basiert nämlich auf der lateinischen Ostersequenz Victimae paschali laudes, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts geschrieben wurde. Als Autor gilt Wipo, einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber aus der Zeit der Salier. Er war nicht nur Hofkaplan, sondern darüber hinaus auch mit Kaiser Konrad II. befreundet, der maßgeblich zum Aufstieg Speyers beigetragen hat.
Aus dem lateinischen Victimae paschali laudes entstand bereits im folgenden Jahrhundert das Christ ist erstanden in der Form, in der wir es heute noch kennen – zumindest die erste Strophe: Vier Zeilen Text und ein abschließendes „Kyrieleis“, denn das Lied ist eine sogenannte Leise.
Leisen gehören zu den ältesten Kirchenliedern in deutscher Sprache. Sie entstanden, um die Gemeinde an der lateinischen Liturgie zu beteiligen. Ihren Namen haben sie vom „Kyrie Eleison“ oder verkürzt auch „Kyrieleis“ am Ende jeder Strophe. Davon gibt es auch im heutigen Evangelischen Gesangbuch noch so einige: „Gelobet seist du, Jesu Christ“ (EG 22) wird etwa an Weihnachten gesungen und „Nun bitten wir den Heilgen Geist“ (EG 124) an Pfingsten.
Zwar waren die Leisen schon seit dem 11. Jahrhundert Teil des Gottesdienstes, so richtig beliebt wurden sie erst in der Reformation. Der Grund ist einfach: Mit wenig Text, der sich gut einprägt, konnte die Gemeinde gut in die Liturgie eingebunden werden. Noch heute ist der Gemeindegesang Teil des protestantischen Verständnisses – wenn auch durch die Pandemie leider etwas eingeschränkt.
Der Wiener Musiker Hans Judenkönig veröffentlichte 1523 eine Version des Stücks für die Renaissancelaute. Diese zur damaligen Zeit sehr populäre Version schaffte es, in ganz Europa verbreitet zu werden. Die Laute wurde nämlich vor allem außerhalb der Kirche gespielt. Damit wurde das Lied zum Volkslied. Neu waren hierbei die zweite Strophe „Wär er nicht erstanden, …“ und das abschließende Halleluja.
Und das alte Victimae paschali laudes? Das wird tatsächlich bis heute noch in der katholischen Kirche gesungen. Zu finden ist es im katholischen Gesangbuch „Gotteslob“ unter der Nummer 320.